Requiem und Einweihung des Gedenkortes für die Opfer der Euthanasie in Neinstedt

26.09.2022

Requiem und Einweihung des Gedenkortes für die Opfer der Euthanasie in Neinstedt

In der Evangelischen Stiftung Neinstedt ist ein Gedenkort für die Opfer der Euthanasie in Neinstedt entstanden.

Den über 1.000 Menschen wird an diesem Ort ihre Identität wiedergegeben. Nach der Fertigstellung fand nun die Einweihung statt.

Mit einem Requiem für die Opfer der Euthanasie begann am Sonntag, den 25. September 2022 das Gedenken für die Opfer der Euthanasie in Neinstedt.

„Wie wir mit den Schwächsten umgehen, zeigt den Reifegrad unter uns Menschen,“ so die Kernaussage des Neinstedter Requiems. So fand der Abtransport von 1019 Bewohnerinnen und Bewohnern aus den Neinstedter Anstalten in die Todesfabriken des nationalsozialistischen deutschen Staates ab 1937 Betrachtung. Eine unheilige Allianz von Motiven machte das damalige Geschehen möglich. Es gab ökonomische, theologische und auch rassenhygienische Motive. Neinstedt war ein Ort der Finsternis und der Bereitschaft zum Mord. Ein Ort der Feigheit und des Machtmissbrauchs. Ein Ort des Hochmuts und der Menschenfeindlichkeit. Zur Erinnerung an die Opfer, wurden exemplarisch die Daten der Abtransporte und die Namen der Menschen allein im Jahre 1941 verlesen.

Als Gäste waren der Vorstand des Diakonischen Werks der Evangelischen Kirchen Mitteldeutschlands, OKR Christoph Stolte, OKR Christian Fuhrmann, als Vertreter des Landeskirchenamtes, der Historiker, Reinhard Neumann und Stine Albrecht, die Künstlerin des Gedenkortes, Besucher des Requiems.

Christoph Stolte richtete sich an die Gäste mit den Worten: „Menschen haben eine von Gott verliehene Würde. Diese Würde ist unverlierbar, aber verletzbar. Wir dürfen diese Würde nicht verletzen. Kein Mensch darf nach seinem Wert eingeteilt werden. Ich danke dem Vorstand der Evangelischen Stiftung Neinstedt für ihre Gradlinigkeit und den Mut, sich der Geschichte zu stellen. Das ist ein großer Ausdruck der Achtung diesen Menschen gegenüber.“

Christian Fuhrmann begann mit den Worten aus der Bibel: „Was ihr getan habt einem von diesen meinen geringsten Brüdern, das habt ihr mir getan. Diakonie und Kirche müssen sich der Vergangenheit stellen. Menschen hatten Heimat und Schutz versprochen und dieses Vertrauen gebrochen. Mahnung ist kritische Begleitung. Der neue Gedenkort fordert uns heraus, in der Zukunft kritisch zu entscheiden, was gut und richtig ist.“

Nach dem Requiem gab der Historiker Reinhard Neumann Einblick in seine Arbeit.

In einem gewaltigen Stück der Aufarbeitung, die in dieser Intensität in der Bundesrepublik wohl einmalig ist, ist es ihm gelungen, die unfassbaren Geschehnisse im Rahmen der Euthanasie in Neinstedt zu dokumentieren. Mehr als 1.000 Menschen aller Altersgruppen, aus dem Elisabethstift und aus der Führsorgeerziehung des Lindenhofs wurden abtransportiert. Ein großer Teil dieser Menschen fand den Tod in den so genannten Zwischenanstalten oder wurde systematisch in Bernburg ermordet. Reinhard Neumann konnte in Zusammenarbeit mit Mitarbeitenden der Evangelischen Stiftung Neinstedt und Studierenden der Fachhochschule der Diakonie in Bielefeld 1019 der Namen ermitteln. Diesen Menschen wurde nun mit einem Gedenkort ihre Identität wiedergegeben.
Unter dem Titel „Den Zahlen einen Namen geben“ wurde für die Umsetzung dieses komplexen Themas im Jahr 2019 ein Wettbewerb von der Evangelischen Stiftung Neinstedt und der Burg Giebichenstein Kunsthochschule Halle ausgelobt.

Studierende und Alumni der Kunsthochschule Halle haben ihre Vorschläge dazu eingereicht. Eine Jury, bestehend aus Vertretern des Kunstmuseums Magdeburg, der Kunsthochschule Halle, bildenden Künstler und der Evangelischen Stiftung beurteilten in mehreren Sitzungen die eingegangenen Entwürfe.

Der Siegerentwurf von Stine Albrecht wurde nun eröffnet. Auf der von Kastanien umrahmten Wiese neben der Lindenhofskirche wurde eine Bodenskulptur in Form einer stilisierten Blüte aus einem 35 cm breiten Messingband auf Punktfundamenten platziert. Im Messingband sind alle Namen der Opfer eingeprägt. Innerhalb des Bandes wurde die Wiese mit Netzblatt-Schwertlinien bepflanzt. Die goldfarbene Blumenform zitiert die sakralen Schmuckornamente aus der Deckenmalerei der Apsis in der Lindenhofskirche, die auf blauem Hintergrund für ein ewiges, himmlisches Leben im Paradies stehen.

Das Vorhaben wurde mit einer Projektförderung aus der Kulturförderrichtlinie des Landes Sachsen-Anhalt finanziell unterstützt.