08.04.2017
Seit nunmehr über drei Jahren befasst sich der Historiker Reinhard Neumann aus Bethel mit den Morden an ehemaligen Bewohnern der Neinstedter Anstalten.
Seit nunmehr über drei Jahren befasst sich der Historiker Reinhard Neumann aus Bethel mit den Morden an ehemaligen Bewohnern der Neinstedter Anstalten. Die Nationalsozialisten stellten das Leben von Menschen mit Behinderung als „lebensunwert“ dar mit dem Ergebnis, dass diese Menschen im Rahmen der sogenannten „Euthanasie“ ermordet wurden.
Am 7. April stellte Reinhard Neumann einen Zwischenbericht seiner Forschungen unter dem Titel „Den Zahlen einen Namen geben“ in Neinstedt vor. Dieser Titel sei deshalb enorm wichtig, so Neumann, gebe man mit dieser Individualisierung jedem einzelnen bislang anonymen Opfer zumindest seine Würde zurück. Auf der Grundlage der neuen Forschungsergebnisse muss die Zahl der Neinstedter Opfer nach oben korrigiert werden, ging man bisher von ca. 700 Opfern aus.
Neue Erkenntnisse besagen, dass es zwischen Oktober 1938 und November 1943 zu insgesamt 51 Transporten mit 861 Neinstedter Bewohnern in die Tötungsanstalten kam, dabei waren auch Kinder. Ein besonderer Schub an Ermordungen ist im Gefolge des deutschen Überfalls auf die Sowjetunion am 22. Juni 1941 auszumachen. Da der geplante Blitzkrieg im Gegensatz zu Frankreich hier nicht erfolgreich war, benötigte die Wehrmacht weitaus mehr Lazarettplätze. In den Neinstedter Anstalten mussten etliche Häuser zu eben diesen Lazaretten umgewandelt werden, die Bewohner wurden häufig in Bernburg ermordet.
Für die weiteren Forschungen benannte Neumann zwei Schwerpunkte: Einerseits müsse die Individualisierung der einzelnen Opfer weiter vorangetrieben werden. Der andere Punkt ist mit der DDR der 1970er Jahre eng verknüpft. Zu dieser Zeit wurden zahlreiche Dokumente wie etwa Neinstedter Personal- und Krankenakten vernichtet. Und nach Reinhard Neumann war dies kein Zufall. Vielmehr gibt es klare Anhaltspunkte dafür, dass die Stasi hierfür den Auftrag gab. „Mögliche Forschungen zu den Euthanasiemorden hätten zu einer Unvereinbarkeit mit dem vom SED-Staat propagierten antifaschistischen Geschichtsbild führen können. Dem wollte man vorbeugen“
Einleitend sprach Hans Jaekel von einer moralischen Pflicht, diesen dunklen Teil der Neinstedter Geschichte aufzuarbeiten. „Ansonsten ist die Gestaltung unserer Gegenwart wie auch unserer Zukunft zum Scheitern verurteilt,“ so Jaekel.