12.12.2024
Reinhard Neumann ist im Alter von 68 Jahren am 25. November 2024 verstorben. Er war Historiker und Mitglied der Diakonischen Gemeinschaft Nazareth in Bethel.
Das war wie ein Wunder.
Mitten in die Erkenntnis, dass es einer intensiven historischen Aufarbeitung der Evangelischen Stiftung Neinstedt bedurfte, kreuzte Reinhard Neumann unsere Überlegungen, Historiker und Dozent an der Hochschule der Diakonie in Bethel. Das war im Jahre 2011. Reinhard Neumann forschte an der Geschichte des Deutschen Diakonenverbandes. Neinstedt gehört dazu. Die Frage war: Wird Reinhard Neumann sich speziell der Diakoniegeschichte Neinstedts widmen können? Und er sagte JA. Der Vorstand beauftragte ihn mit der historischen Aufarbeitung der Stiftung. Der Gründermythos um 1850 war ein Thema, die Auseinandersetzung mit Gewaltanwendung in der Betreuung von Schützlingen, die Sozialstaatsentwicklung nach dem ersten Weltkrieg, der Nationalsozialismus mit der verbrecherischen sogenannten „Euthanasie“, der Neuanfang und die Wirren nach dem zweiten Weltkrieg, der Einfluss des sozialistischen Staates auf die Entwicklung der Arbeit in Neinstedt = es waren 13 Jahre intensiver Forschungsarbeit mit der Historie der Stiftung. In den Jahren sind zwei wissenschaftliche Bücher zur Geschichte der Stiftung veröffentlicht worden.
Das Manuskript des dritten Buches liegt in einer Entwurfsfassung vor. Es wird den Einfluss der Staatssicherheit der ehemaligen DDR auf die sozialdiakonische Arbeit in Neinstedt dokumentieren. Um wissenschaftlich arbeiten zu können, musste die Stiftung ihren Aktenbestand ordnen. Als Diakon Wolfgang Bürger im Rentenalter damit anfing, lag ein Großteil der Akten in Gemüsekisten auf Hausböden. Es mussten Archivräume gefunden, Regale aufgestellt und Akten geordnet werden. Reinhard Neumanns Arbeit begann damit, dass er der Stiftung half, ein Findbuch zu erarbeiten. Dafür konnten wir mit Sabine Przyborowski eine engagierte Mitarbeiterin gewinnen.
Ausgehend von der historischen Arbeit konnte der Gedenkort für die Opfer der sogenannten „Euthanasie“ erweitert werden. Wir konnten damit 1019 Opfern dieses Verbrechens ihre Namen zurückgeben.
Am 25. November 2024 ist Reinhard Neumann mitten in den Arbeiten an seinem dritten Neinstedter Buch verstorben. Wenige Tage davor war er noch in Neinstedt und arbeitete mit Kolleginnen und Kollegen an Unterlagen für das Buch.
Die Stiftung verliert mit Reinhard Neumann einen streitbaren, neutralen Betrachter unserer Geschichte, einen Bruder in Christus, einen professionell arbeitenden Historiker.
Er gehörte in unsere Neinstedter Dienstgemeinschaft. Es gelang ihm, wissenschaftliche historische Arbeit populär darzustellen. Er bezog viele Menschen in seine historische Arbeit ein. Wir wurden TeilhaberInnen seiner wissenschaftlichen Auseinandersetzung. Dabei konnten wir viel über wissenschaftliche Methoden dieser Profession lernen.
In großer Dankbarkeit verneigen wir uns vor dem Leben unseres Bruder Reinhard Neumann. Wir sind Gott dankbar, dass er unser Arbeitsleben kreuzte. Wir sind dankbar, dass er unsere Geschichte entmythologisierte.
Es ist wie ein Wunder.
Diakon Hans Jaekel
im Dezember 2024