Hunderte von Menschen mit Beeinträchtigungen aller Altersgruppen wurden zwischen 1938 und 1943 im Rahmen der „Euthanasie“- Mordaktionen aus den damaligen Neinstedter Anstalten in Zwischenanstalten „entlassen“. Die meisten Menschen sind danach in der „Euthanasie“- Anstalt Bernburg ermordet worden. Im Rahmen eines mehr als 9-jährigen Projektes des Historikers Prof. Reinhard Neumann konnte fast allen Zahlen ein Name zurückgegeben werden. Die Identifizierung der Namen der Opfer wird nun zum Anlass genommen, um das neben der Lindenhofkirche existierende Denkmal durch weitere Elemente in einen GedenkOrt zu erweitern. Die Sichtbarkeit dieser Namen auf einer stilisierten Blüte aus 35 Zentimeter breitem Messingband auf der von Linden umrahmten Wiese steht im Mittelpunkt des Projektvorhabens.
Mit der Erweiterung des GedenkOrtes werden nun die Namen sichtbar, jedoch nicht mahnend, sondern in versöhnlicher, würdevoller Form. Jedes identifizierte Opfer wird von der Anonymität befreit und erhält Individualität zurück. Zukünftig identifizierte Namen der Opfer werden der Bodenskulptur hinzugefügt. Dadurch lebt und wächst die Skulptur. Insbesondere die jahreszeitlich wechselnde und fortwährende Blumenbepflanzung unterstützt die Lebendigkeit des GedenkOrtes. Ein lebendiges Gedenken wird vor Ort zelebriert, da alle Beteiligten mit der Blumenpflege den Opfern der Euthanasie das Gedenken zu Teil werden lassen. Die blauen Blumen symbolisieren das Streben nach dem Unendlichen und korrespondieren mit der Apsis in der Lindenhofskirche, in welcher die Himmelswiese mit blauen Lilien dargestellt ist, als Sinnbild für die Fürsorge Gottes und das Geborgensein in ihm. Das Denkmal fügt sich als Bodenskulptur in Form der stilisierten Blüte aus Messing niveaugleich in die Wiese ein. Die Unaufdringlichkeit und Schlichtheit des Denkmals tragen zum Entstehen eines offenen, einladenden GedenkOrtes mit einer Willkommensatmosphäre bei. Gemeinsam mit dem bereits existierenden Denkmal entsteht eine neue Einheit und ein Begegnungsort im inklusiven Dorf Neinstedt.
Ergänzend zur den Besucherführungen dienen zwei verschiedene Informationsbroschüren zur Erläuterung des GedenkOrtes. Ein Flyer wird in Leichter Sprache und damit speziell für Menschen mit Lernbeeinträchtigungen entwickelt. Ein weiterer Flyer wird die Symbolik und Botschaft des Denkmals in umfassenderer Form vermitteln. Beide Flyer können über einen QR-Code von der Internetseite der ESN heruntergeladen werden und stehen vor Ort in einem wettergeschützten Prospekthalter zur Verfügung. Ergänzt wird das Informationsangebot durch ein Audioformat, das ebenfalls online über den QR-Code abrufbar ist. Den QR-Code erhalten BesucherInnen über die Flyer vor Ort und/oder am Informationspunkt in Form einer Stele am GedenkOrt. Die Informationsstele ist Bestandteil eines stiftungsweiten, barrierefreien Rundgangs und ist gleichzeitig in eine mobile App (Software-Applikation), die über ein mobiles Endgeräte abgerufen werden kann, integriert. Weiterhin ist eine Erläuterungstafel zum Denkmal an der Stele vorgesehen.
Das Projektvorhaben „Erweiterung des Euthanasie-Gedenkortes in Neinstedt – „Den Zahlen einen Namen geben“ wird im Zuge einer Projektförderung mit einer Zuwendung aus der Kulturförderrichtlinie des Landes Sachsen-Anhalt unterstützt. Über die Kulturförderrichtlinie werden Zuwendungen zur Förderung von kulturellen und künstlerischen Projekten und kulturellen Institutionen in Sachsen-Anhalt gewährt.
Evangelische Stiftung Neinstedt
Lindenstraße 2
06502 Thale OT Neinstedt
Diakon und Sozialpädagoge